Aktionserklärung zur Besetzung der ehemaligen iranischen Botschaft

Wir haben heute die ehemalige iranische Botschaft in Bonn besetzt!

Diese Aktion soll ein Zeichen für Solidarität mit den emanzipatorischen Protesten im Iran setzen und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, der neoliberalen Stadtpolitik in Bonn einen nicht-kommerziellen Raum der Begegnung und der Selbstverwaltung entgegenzusetzen.

Seit Monaten sind die Menschen im Iran wieder auf der Straße, um ein weiteres Mal gegen das iranische Regime zu protestieren. Sie tun dies trotz des Risikos auf Gefängnisstrafen, Folter oder Ermordung. Die Bandbreite der Gründe umfasst Kämpfe für gerechte Arbeitsverhältnisse, für die Freiheit von politischen Gefangenen, außerdem die Forderung nach geringeren Lebensmittelpreisen, Heizkosten und Mieten. Die Forderungen nach Veränderungen reichen von einer Demokratie nach westlichem Vorbild bis hin zu einer nicht kapitalistischen Gesellschaft.
Neben den progressiven Kräften beteiligen sich aber auch reaktionäre Interessensgruppen an den Protesten. So finden sich auch Anhänger*innen des Schahs darunter, die darauf hoffen, dass die aktuellen Machthaber durch ein anderes, autoritäres Regime ersetzt werden.

Das iranische Regime geht entschlossen gegen die Protestierenden vor: Laut der iranischen Regierung wurden seit Beginn der Proteste 3500 Regierungsgegner*innen eingesperrt. 50 mussten ihren Widerstand sogar mit dem Leben bezahlen. Aktivist*innen gehen von deutlich höheren Zahlen aus.

Wir haben Ort und Zeit bewusst gewählt, um uns am internationalen Frauenkampftag mit kämpfenden Frauen weltweit solidarisch zu zeigen. Eine lebenswerte Welt können wir uns nur im Sinne der radikalen Gleichberechtigung von allen Geschlechtern vorstellen. Die Besetzung der iranischen Botschaft soll als solidarischer Gruß an die mutigen Frauen im Iran gesendet werden, die sich gegen das repressive und patriarchale Regime auflehnen.Vor allem sie haben unter dem aufgezwungenen Sittendiktat der iranischen Despoten zu leiden. Ihnen geht es u.a. darum die sozialen Restriktionen wie den Zwang zum Tragen des Kopftuches im öffentlichen Raum aufzuheben. Sie fordern die selbstbestimmte Entscheidung darüber, ob Frauen ein Hijab tragen möchten und dies als Teil ihrer Identität verstehen oder nicht.

Wir sind darüber hinaus ein Zusammenschluss verschiedener Menschen, die sich mit dem Thema Recht auf Stadt und Stadtentwicklung von unten auseinandersetzen. Wir sehen, dass sich in Bonn gerade eine Menge verändert und dass dies nicht unbedingt zugunsten der Bürger und Bürgerinnen geschieht. Das lässt sich an den verschiedenen Initiativen erkennen, die versuchen, ihrem Willen eine Stimme zu verleihen, so wie „Viva Viktoria“ im Viktoria Viertel, „Kurfürstenbad bleibt“/“Frankenbad bleibt“ in Bezug auf das geplante Zentralbad und vielen anderen. Zusätzlich steigen die Mieten stetig und die Leerstände werden immer mehr.
Mit Sorge sehen wir die Entwicklungen, in denen wir zu erkennen glauben, dass Bonn im Stile einer neoliberalen Politik zusehends einkommensschwächere Menschen verdrängt, das Stadtbild mit Einzelhandelsketten und Großunternehmensbüros vereinheitlicht und anonymisiert.
Um gegen diesen Prozess zu protestieren und ihm etwas entgegenzusetzen, haben wir besagtes Gebäude bezogen. Hier werden wir in der nächsten Zeit ein kulturelles Zentrum eröffnen, in dem Menschen die Möglichkeit gegeben werden soll, sich selbstständig zu organisieren, zu begegnen und auszutauschen. Weil es kaum Orte in Bonn gibt, an denen Menschen sich aufhalten können, ohne Eintritt bezahlen oder etwas kaufen zu müssen, wollen wir einen Raum eröffnen, an dem dies möglich ist. Weil wir einen solchen Ort des freien Austauschs für wichtig halten, haben wir diesen ohnehin leerstehenden Ort bezogen, um ihn mit Leben zu füllen.

In der nächsten Zeit werden wir diesen Raum nutzen, um uns über emanzipatorische Kämpfe weltweit und vor allem im Iran auszutauschen und zugleich Impulse für eine gerechtere Stadtentwicklung zu setzen.

Wir haben vor, hier das Institut für Anarchismusforschung zu etablieren. Als Agentur gegen Arbeit geht es uns darum, eine radikale Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu entwicklen, in denen Menschen nicht nur unter autokratischen Regimes wie dem Iran, sondern auch unter kapitalistischen Disziplinierungen, wie dem Leistungszwang und Konformismus leiden.

Interessierte sind herzlich eingeladen vorbei zu kommen, sich mit uns zu unterhalten und dabei zu sein wie dem alten Gebäude neues Leben eingehaucht wird!

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